Hans Martins Bastelseiten

Nun also doch:
Eine Röhrenverstärker-Bastelanleitung auf sauerampfer-online!

Letzte Änderung an dieser Seite: 27.4.2024

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1. Wozu befasst sich der Mensch mit antiquierter Musik-Wiedergabetechnik ?

Birne Trafo Nach dem Ende des analogen Rund­funks und damit auch dem Ende der vielen Lang- und Mittel­wellesender, die ein selbst­gebastel­tes Radio mit und ohne Röhren nun einmal braucht, bleibt dem Röhren­bastler nun vor allem noch das Thema Röhren­verstärker. Er ist das einzig übrig geblie­bene analoge Glied in der langen, digitalen Informa­tions­kette der modernen Medien.
Verstär­ker habe auch ich einst gebaut, vor Jahr­zehnten. Aber das tat ich aus einem ganz anderen Grund. In den Jahren nach 1970 wurden nämlich die Röhren­radios nach und nach durch Transistor­radios ersetzt. Die schweren, globigen Holz­kästen wurden aus den Wohn­zimmern verbannt und für junge, technik­interes­sierte Lümmel wie mich zum Schlachten freige­geben. Jawohl, schlachten ist das korrekte, harte und unbarm­herzige Wort. Aber ich bekenne mich auch heute noch zur Untat. Ist es nicht besser, dass man etwas schlachtet, um wenigstens ein Bruch­stück des Gewe­senen zu bewahren? Sei es auch nur der einfäl­tignr Neugier wegen. Das ist besser, als dass man es entsorgt, dass man also die Sorge um den Gegen­stand leugnet, seine Funktion und Bedeu­tung nicht würdigt, sich darum zu sorgen weigert.

2. Die Innereien

Jedenfalls, ich hatte vom Schlacht-sorgen, wenn ich so sagen darf, einen schweren Karton mit dicken, Phenol ausschwit­zenden Trans­forma­toren, staub­verklebten Röhren, Laut­sprechern mit spröder Papier­membran, Selen­gleich­richtern und diesen lustigen kleinen Wurst­schneide­maschinen mit ihren stum­pfen Messer­stapeln, die man auch als Dreh­konden­satoren bezeichnet. Nicht zu verachten, die undurch­schaubaren Löt- und Draht­kunst­werke mit Reihen von schwer­gängigen Schalt­kontakten, kleinen und großen Spulen und Konden­satoren. Die ich aber entsorgt habe, da, wie gesagt, undurch­schaubar. Loetkunst Alles duftete nach Staub und geron­nenem Fritten­fett und war mit einer eingetrock­neten Kruste von Persil­pulver über­zogen, denn die Radios hatten ihr jahrzehn­telanges Dasein meist in einer kleinen Küche zugebracht, mit Herd, Kühl­schrank und Wasch­maschine. Drehko Im Verlauf von 10 Jahren habe ich mehrere Röhren­verstärker gebaut. Ihre Zahl weiß ich nicht mehr. Es waren zum Teil komplexe Geräte aus dem, was halt gerade in der erwähnten Kiste war. Einige schienen ganz gut, andere unter­legten die Musik mit einem leisen Brumm­ton oder machten ab und zu ganz leises, aber um so stören­deres Knacken oder Rauschen. Das ertrug ich mit Geduld.

3. Geduldsprobe

Wenn meine Geduld aufge­braucht war, was üblicher­weise nach ein paar Monaten leid­vollen, kriti­schen Hinhörens geschah, kam ich zu einem Entschluß. Dann war wieder Basteln angesagt. Das alles tat ich, um in meinem Zimmer die Musik aus meinem Toshiba- Kasetten­rekorder abzu­spielen, den ich einst zur Weih­nachts­bescherung von meinem Eltern als Geschenk bekommen habe. Und die Musik klingt aus einem knacken­den und brum­menden Röhren­verstärker eindeutig und tat­sächlich besser als aus dem quakenden Plastik­apparat. Das wird der schärfste Kritiker der audio­philen Röhren­szene nicht bestreiten. Fotos davon habe ich leider nicht gemacht.
Ich möchte meinen lieben Eltern bei dieser Gelegen­heit in Sachen Röhren­basteln meinen tief empfun­denen Dank aus­sprechen. Nicht nur, dass sie einen vermut­lich nicht ganz billigen Kasetten­rekorder mit Sach­kunde und pädago­gischer Voraus­sicht ausge­wählt haben: gut sollte er sein, aber eben durch mich (!) noch zu verbes­sern. Auch die vielen alten Röhren­radios kann ja niemand anderes als sie aufge­stellt haben, die Saat des Röhren­bastelns. Und schließ­lich haben sie diese dann durch moder­nere Transistor­geräte ersetzt. Der richtige Impuls zum richtigen Zeit­punkt. Aus der Idee wurde die Tat.

4. Abkehr von der elektronischen Realität

Konzertsaal Wenn ich heute mit meiner Frau Musik hören mag, und wir unsere gemein­same Freizeit dafür verwen­den wollen, dann gehen wir gemein­sam in ein Konzert, ins Theater oder in die Oper. Das ist hier im Frank­furter Raum über­haupt kein Problem. Vier Spiel­orte im Umkreis von 35 Minuten S-Bahn. Hurra! Jetzt, seit der Spiel­zeit 2022/23 wieder offen! Und eine Sinfonie von Gustav Mahler, oder den Ring des Nibe­lungen von Wagner, nein, keine Wohn­zimmer-Stereo­anlage kann je wieder überzeugen, wenn man das ein Mal live erlebt hat. Röhren­basteln habe ich des­wegen nicht aufge­geben. Im Gegen­teil, doch ich mache jetzt mit Röhren ganz andere Sachen.
Verstaerker2 Wie ich bereits ausge­führt habe, waren meine ersten selbst­gebauten Verstärker alles andere als perfekt. Haupt­sache war, dass etwas Erkenn­bares aus dem Laut­sprecher herauskam. Ohne Oszil­loskop konnte ich damals nicht sehr viel an den Geräten opti­mieren, oder Mängeln auf den Grund gehen.

5. Röhren als Ausweg in der digital-pandemischen Zwangslage

Das letzte Exemplar, das ich vor nun fast 15 Jahren zusammen­gelötet und -geschraubt habe, exis­tierte noch. Es steht jetzt wieder in unserem Wohn­zimmer, entstaubt und poliert. Ich hatte damals bereits ein Oszil­loskop zur Verfügung und allerlei Mes­sungen zu Leis­tung, Frequenz­gang und Verzer­rungen gemacht. Diese Arbeit hat sich ausge­zahlt. Der Verstärker ist an den Kopf­hörer­ausgang unseres digi­talen Fern­sehers angeschlos­sen.
Seit das Corona-Virus das öffent­liche Leben Anfang 2020 für zwei Jahre lahm­gelegen hat, ist der 4-Watt-Monover­stärker mit EF 86, 6V6GT und EZ 81 wieder ein unver­zicht­barer Bestand­teil des Musik­programms. Theater und Konzert­säle waren lange geschlos­sen, Livekon­zerte abgesagt. Immerhin ermöglichte das Internet den Zugang zu den Media­theken der Rund­funk­anstalten, wo wir vieles finden, das wir zu dieser Zeit vermissten.
Doch der digitale Musik­genuss stößt an praktische Grenzen. Der Ton, der aus unserem ansonsten wirklich exzel­lenten 80-cm-Pana­sonic-Flachbild­fernseher kommt (und nicht nur aus diesem Medien­gerät), ist so überwäl­tigend plastik­artig wie damals jener aus meinem Toshiba-Kasetten­rekorder.

6. Die Depressionen des Alters

Verstaerker3 Das ist kein rein techni­sches Problem, nein, es ist die zwangs­läufige Essenz des komplexen Geflechts der techni­schen, ökono­mischen und wahr­nehmungs­psycho­logi­schen Aspekte konser­vierter Musik. Die Gepflogen­heiten des digi­talen Medien­konsums sind mit den Ritualen des reiferen Konzert- und Opern­publi­kums nicht vereinbar. Natür­lich wird vom Her­steller ein Audio-Aufrüst­system ange­boten, doch das löst nicht das Kardinal­problem.
Verstaerker4 Nicht den Ton, sondern die Gesamt­atmo­sphäre einer musika­lischen Live-Veran­staltung bringt ein Röhren­verstärker voll­kommen authen­tisch ins Wohn­zimmer. Zusätz­lich zum Verstärker genügt eine handge­sägte und -genagelte Laut­sprecher­box, die einen leicht angeros­teten Laut­sprecher mit brüchiger Papier­membran aus einem Schlacht­radio von 1960 enthält.

7. Wieso Ansprüche immer bescheidener werden

Ich muss hier nämlich mit einem posi­tiven Vorur­teil über die Akustik in Konzert- und Opern­sälen aufräumen. Sie ist, verglichen mit dem Klang einer profes­sionell produ­zierten Musik-CD, ausge­sprochen miserabel. Der Klang eines großen Orches­ters erscheint in einem voll besetzten Konzert­saal dumpf. Die tiefen Töne sind schwam­mig, die hohen Lagen der Streicher und Holz­bläser versickern schon in den mittleren Reihen des Parketts. Verstaerker5 Die mittleren Stimm­lagen und vor allem das Blech neigen dazu, scharf und schneidend den Raum zu füllen. Es ist kaum möglich, die Posi­tion eines Instru­ments im Orchester zu orten. Für die Musiker ist es harte und konzen­trierte Arbeit, dem Werk harmo­nische Klar­heit und Prägnanz zu geben. Es zeichnet die berühm­ten Orchester­leiter mit ihrer langen Konzert­erfahrung aus, dass sie der Musik hinter dem Noten­gebirge eines Beet­hovens oder Bruckners unter widrigen akusti­schen Rand­bedingungen Ausdruck und Span­nung verschaf­fen.

8. Die Rückkehr zur Tradition

Technisch gesprochen: der Frequenz­gang ist lausig, die Inter­modulation nervig, und der Stör­pegel asthma­tisch. Mein Bastel­verstärker und sein Holz­laut­sprecher sind auch nicht schlimmer.
Was schreibe ich hier für dummes Zeug, wo ich doch die Lösung seit meiner Jugend genau kenne, nämlich vom Schlacht-Sorgen? Man braucht den Frevel heute nicht mehr zu begehen. Röhren­radios gibt es längst nicht mehr. Alles Nötige bekommt man nagel­neu mit ein paar Klicks im Portal des Versand­handels!
Ich habe mich deshalb nach reif­licher Über­legung, nach gründ­licher Erör­terung aller ethisch-morali­schen Zweifel, unter dem Eindruck der verant­wortungs­vollen Erzie­hung durch meine Eltern und der vorbild­lich durch­dachten Produkt­entwicklung bei Toshiba und Pana­sonic und, vor allem, in Soli­darität mit allen Musik­freunden und Musik­schaf­fenden, als Impuls, am Ende der Corona-Krise zu Neuem aufzu­brechen und das öffent­liche Leben wieder neu zu wagen, dazu entschlos­sen, die Bauan­leitung des Letzten aller Röhren­verstärker hier zu präsen­tieren.

* * *

Der allgemeine Aufbau

Der Verstärker besteht aus mehreren Modu­len: das Netz­teil und ein Mono-Verstär­kerteil. Jedes davon ist auf einem eigenen Aluge­häuse aufge­baut. Das war so ziemlich der einzige Kosten­faktor. Ein paar davon hatte ich bei einem Elek­tronik­versender aus der Ober­pfalz bestellt, und der nette Kollege aus meiner Firma, der die Löcher gebohrt hat, hat ein Glas Bier bekom­men. Die Module werden über eine 5-polige Steck­verbindung zusammen­gesetzt und können bei Bedarf auch wieder getrennt werden. Ursprüng­lich wollte ich noch ein zweites Verstärker­modul für einen Stereo-Kanal her­stellen. Bin aber bisher noch nicht dazu gekom­men.
Die Steckverbindung führt Plus- und Minuspol der Anoden­spannung, die Heiz­spannung und die Gehäuse­masse. Minus­pol und Gehäuse­masse sind galva­nisch vonein­ander getrennt. Die Gehäuse­masse hängt über Kaltgerät­ebuchse und Netz­kabel am Schutz­leiter. Die "Elektronik­masse", also der Minus­pol vom Anoden­gleich­richter, tut es nicht.

Masse oder nicht Masse?

Die "Elektronik­masse" ist gleich­zeitig auch derje­nige Pol der Eingangs-Cinch-Buchsen, der am Verstärker­eingang mit dem Masse­anschluß der Ton­frequenz­quelle verbunden wird. Das kann ein Smart­phone, ein MP4-Player, ein Laptop, ein PC oder ein Fernseh­gerät sein. Auch diese Geräte bleiben durch den Anschluss an den Ver­stärker von der Gehäuse­masse und vom Schutz­leiter galvanisch getrennt. Es sei denn, sie stellen intern eine Erdung ihres Masse­poten­tials her. Bei Laptops, die an ihrem Netz­gerät hängen, oder bei PCs ist das generell so. Laptops im Akku­betrieb sowie alle Hand­geräte tun das nicht. Dem Verstär­ker ist es egal. Es entsteht keine soge­nannte "Brumm­schleife".

Ein wichtige Maßnahme bei der Verdrah­tung der Schaltung möchte ich hervor­heben, die das Hinter­grund­brummen praktisch voll­ständig beseitigt hat. Ich habe alle Verbin­dungen der Elektronik­masse konse­quent an den Fußpunkt der Vorstufen­röhre gelegt (und sonst nirgends), an die Masse­seite des 220-Ohm-Wider­standes in der Katoden­leitung der EF 86. Das gilt sowohl für die Strom­versor­gung aus dem Netzteil­modul, für sämtliche kleinen und großen Sieb­konden­satoren, das Gegen­kopplungs­netzwerk, als auch für die Masse der Eingangs-Cinch-Buchse und des Laut­stärke­reglers.

Erst mal das Schwermetall abfertigen...

Das Netzteil besteht aus einem dicken Trafo, der tatsäch­lich für zwei Verstär­kermo­dule ausrei­chend stark ist. Für 5 Euro ersteigert. Die EZ 81 hat schon ein paar Betriebs­tunden hinter sich. Sie kommt aus der Reste­verwertung. Übrigens sieht man auf dem oberen Bild links noch eine Sieb­drossel. Das ist eine Dros­sel aus einem Leucht­stoff­röhren-Zünd­gerät. Hier der Schalt­plan des Netz­teils, wie er zu Anfang war:
Die EZ 81 richtet als Zwei­weg­gleich­richter die Sekundär­spannung vom Trafo auf 290 bis 300 Volt gleich. Der Lade­konden­sator von 47 µF an ihrer Kathode, die besagte Dros­sel und ein zweiter Sieb­konden­sator mit gutge­meinten 100 µF sorgten für eine schön geglät­tete Anoden­spannung. Der Heizstrom­kreis mit 6,3 Volt ist dann noch über ein "Entbrumm"-Potentio­meter an die Elektronik­masse gelegt. Daran drehen hat jedoch keinen erkenn­baren Einfluss.
...
Nach ein paar Jahren ist mir beim Ent­stauben ein Anschluss­drähtchen von der Sieb­drossel abge­brochen. Es gibt keine Chance, das zu repa­rieren, denn Leucht­stoff­röhren-Drosseln sind rundherum wasser­dicht mit Isolier­masse vergossen. Also habe ich die Drossel abmon­tiert. Auf den neueren Fotos sieht man, das jetzt neben der EZ 81 viel Platz ist. Auch den 100-µF-Konden­sator musste ich ablöten, weil die EZ die Strom­stöße beim Aufladen nicht packt. Jetzt ist der Schalt­plan so:
Um es gleich zu sagen: es hatte keine hör­baren Folgen. Zwar stieg die Wellig­keit der Anoden­spannung von 0,1 auf etwa 2 Volt. Gleich­wohl hat sich das im Ton­signal über­haupt nicht bemerk­bar gemacht. Ich fand diese Erkennt­nis so interes­sant, dass ich die Drossel niemals ersetzt habe. Die LC-Sieb­kette wird bei einem Verstärker mit Pentoden­endstufe - und darum handelt es sich hier - über­haupt nicht gebraucht. Schwan­kungen der Anoden­spannung haben bei Pentoden so gut wie keine Wirkung auf den Anoden­strom. Und nur auf den kommt es an. Wozu also unnötig Span­nungen glätten ? Woh­lgemerkt: wir sprechen von der Anoden-Spannung. Die Schirm­gitter-Spannung sollte dagegen nur wenig Rest­wellig­keit haben. Die nämlich würde man im Laut­sprecher hören. Aber das schafft auch ein einfaches RC-Glied.

Ebenfalls von Gewicht: der Laut­sprecher

Da sagen Bilder mehr als Worte. Ein etwa 50 cm hoher Kasten aus 2-cm-Span­platte. Ist aus einem spontanen Schöner-Wohnen-Projekt mit Kreis- und Stich­säge hervor­gegangen. Also bitte keinen tieferen Sinn darin erwarten. Vier altmo­dische Möbel­füße habe ich unten ange­schraubt, damit meine Frau besser staub­saugen kann. Der Bass­laut­sprecher geht nach hinten und strahlt in die Zimmer­ecke. Der alte Radio­laut­sprecher ist keine Schön­heit. Vorn habe ich einen Kalotten­hochtöner eingebaut, den jemand in den Sperr­müll gegeben hatte. Die dünne Kunst­stoff­kalotte war leicht eingedellt. Ich habe den Fehler mit einer Steck­nadel korri­gieren können. Die Laut­sprecher habe ich über eine 10-mH-Luft­drossel bzw. einen 12-µF-Papier­konden­sator angeschlos­sen. Die Box ist zur Dämpfung von stehenden Wellen innen mit alten Feder­kissen ausge­stopft. Die groben Schnitt­kanten habe ich verspach­telt und die Box mit Acryl-matt-altweiß gestrichen. Die Boh­rungen für die Laut­sprecher habe ich in glän­zendem Piano­schwarz etwas aufge­peppt. Bitte sehr!

Die Verstärkerschaltung

Eigentlich ist es das Anfänger-Projekt aus einem Heinz-Richter-Buch, mit kleinen Varia­tionen. Der zwei­stufige Verstär­ker hat eine EF 86 als Vorver­stärker. Sie bringt das Signal aus dem Kopfhörer­ausgang eines CD-Players oder eines Fern­sehers auf das Niveau, das die Endstufen­röhre vom Typ 6V6GT aus­steuern kann. An deren Steuer­gitter ist dazu ein Spannungs­umfang von 30 Volt erforder­lich. 6V6GT ist elek­trisch der bekannten EL 84 sehr ähnlich und ein äußerst gutmü­tiges und bastler­freund­liches Bau­element. Sie hat aber nur die Hälfte an Steil­heit und braucht minus 14 statt minus 7 Volt Vorspan­nung am Gitter (gegenüber der Kathode). Grund­sätzlich würde hier nichts gegen eine EL 84 sprechen. Der Kathoden­wider­stand müsste dann auf die Hälfte reduziert werden, das ist alles. An den alten USA-Oktal­röhren wie der 6V6GT gefällt mir der total urzeit­liche Pressfuß-Sockel. Und der glän­zende geschwärzte Glas­kolben erinnert mich irgendwie an den auf Hoch­glanz polierten Steinway-Flügel in einem Konzert­saal.

Alternativen bei den Röhren

Die Vorstufe muss keineswegs unbe­dingt eine EF 86 sein. Die ist nämlich ziemlich kost­spielig, obwohl, wie unten im Bild, sich viele Her­steller bis heute darum bemühen. Diese Wahl hat auch interes­sante Vorteile. Die Verwen­dung einer Triode ist an dieser Stelle wegen der zu geringen Verstär­kung nicht zu empfehlen. Man braucht die hohe Spannung­verstär­kung einer Pentode. Dadurch schafft man Spiel­raum, um mit dem recht simplen Ver­stärker durch Gegen­kopplung einen guten Frequenz­gang zu erreichen.

Mein Exemplar der EF 86 stammt übrigens aus einem alten Grundig-Tonband­gerät. Dort wurde sie als rausch­armer Vorver­stärker einge­setzt. Das sehr geringe Eigen­rauschen der EF 86 bringt in unserem Verstär­ker jedoch keine hörbare Verbes­serung. Die Spannungs­verstär­kung V einer Pentode ist gleich

V = S RA

Das ist das Produkt aus Steil­heit S und Anoden­widerstand RA. Bei einem Anoden­strom von 1,5 mA, RA = 100 kΩ und S = 1,6 mA/V ergibt sich für eine EF 86 eine Spannungs­verstärkung von V = 160. Am Anoden­wider­stand fallen 150 Volt Gleich­spannung ab. Das ist wenig. Es verblei­ben dann etwa 70 bis 80 Volt für die Anode der EF 86. Das ist voll­kommen ausrei­chend. Schauen wir auf andere Röhren:

  • 6SJ7: das Äquivalent der EF 86 auf dem Oktal­sockel. Im nicht durchsich­tigen Stahl­kolben. Die Röhre passt optisch gut zur 6V6GT. Das muss man zugeben.
  • EF 89, EBF 89: Diese fast in allen alten Röhren­radios vorkom­mende Pentode aus dem ZF-Ver­stärker ist eine günstige Alter­native zu der ziemlich kostspie­ligen EF86. Auch sie hat bei einem nied­rigen Anoden­strom um 1 bis 2 mA eine respek­table Steil­heit. Die EF 89 hat eine Regelkennlinie. Die Stei­lheit nimmt mit der negativen Gitter­spannung -Ug1 ab. Das disquali­fiziert sie für unseren Zweck aber über­haupt nicht. Regelkenn­linie bedeutet, dass die IA-vs.-Ug1-Kenn­linie keine gerade Linie, sondern eine gekrümmte Exponen­tial­kurve ist. Die Röhre "verzerrt" bei hoher Aus­steuerung der Gitter­spannung. Darauf kommt es hier aber gar nicht an, denn hoch aussteuern tun wir sie nicht! Wichtig ist im Verstärker allein die Ausgangs­kennlinie, also die IA-vs.-UA-Kenn­linie. Die EF 89 hat bei hohen Spannungs­amplituden an der Anode von bis zu 30 Vss, die man zum Ansteuern der 6V6GT braucht, eine gute Linea­rität. Verzer­rungen des Tonsig­nals durch die Regel­kennlinie müssen wir nicht befürchten.

  • EF 183 und 184 sind Spann­gitter­röhren aus der TV-Zwischen­frequenz, wobei die EF 183 eine Regel­kennlinie besitzt. Die Röhren haben eine riesige Steil­heit von 14 mA/V. Aller­dings nur bei 10 mA Anoden­strom. Überlegen wir mal. Für 10 mA Anoden­strom müssten an einem Anoden­wider­stand von 100 kΩ ziemlich genau 1000 Volt abfallen! Die Spannungs­verstärkung wäre 1400. Soviel Betriebs­spannung haben wir aber im Verstärker nicht zur Ver­fügung. Und bei 1 mA ist die Röhren­steilheit auch nicht besser als bei der EF 86 oder bei der EF 89.
  • PCF 82: Ts, ts, ts, was sich nicht so alles in meiner Bastel­kiste findet! Der Pentoden­teil hat eine recht hohe Steil­heit und diente im Zwischen­frequenz­teil des Fern­sehers als Misch­stufe. Die "krumme" Heiz­spannung von 9 V könnte ein Problem sein, wie bei fast allen P-Röhren. Man sollte sich hier wie bei allen TV-Empfänger-Röhren darüber im Klaren sein, dass sie in Hoch­frequenz­verstärkern mit großer Frequenz­band­breite und daher an sehr nied­rigen Impe­danzen eingesetzt wurden. Das bedeutet, dass sie für den Betrieb im Gitter­strom­gebiet bemessen sind. Die Gitter­vorspannung ist nahe Null. Das garan­tiert maxi­male Steil­heit und damit eine brauch­bare Spannungs­verstärkung an kleinen Last­wider­ständen. Als Preis dafür ist die Ansteuerung nicht leistungs­los möglich. Die Röhre belastet die vorherige Stufe. Nun, hier im Verstärker belastet sie den Line- oder den Kopfhörer-Ausgang. Da ist ein bisschen Strom verzeih­lich. Ich würde jedoch vor­schlagen, den Verstärker­eingang deutlich nieder­ohmiger zu gestalten, weil sonst die gekrümmte Gitter­kenn­linie das To­nsignal verzerren könnte. Aber grund­sätzlich meine ich: PCF 82, warum nicht ?
  • ECH 81: Die meistver­wendete Heptode überhaupt! Kaum ein Röhren­radio, in dem man sie nicht fand. Ich habe einige davon hier. Die meiste Zeit dümpel­ten sie ganz unten in der Bastel­kiste. Das ist ein Fehler, denn auch eine Heptode kann man als Pentode schalten. Und noch ganz andere coole Schal­tungen kann man damit machen. Sie muss nicht unbedingt etwas mischen. Wenn man Gitter 3 auf Masse legt, hat man eine tolle Verstärker­röhre. Ein klares Plädoyer meiner­seits für mehr ECHs im audio­philen Bereich.

Der Ausgangstrafo und wie man ihn "anpasst"

Die Ausgangslage: Der Ausgangs­trafo ist aus einem der "wirt­schaft­lichen" Radio­modelle der Firma Grundig. Auch er spiegelt "ökono­mische" Tugenden: kleiner M55-Eisen­kern, dünner Wickel­draht, hohe Streu­feld-Indukti­vität. Aber immerhin: er diente einst hinter einer EL 84. Also ist er auch hier nicht grund­sätzlich verkehrt. Nach dem Ende des Radios hat ihn jemand für einem Hoch­span­nungs­gene­rator ver­wen­det. Die Iso­lation hat dabei gelitten. Das Joch des Eisen­kerns war lose. Das alles galt es hier zu beachten.

Ermitt­lung der rich­tigen Laut­sprecher­impe­danz: Zur Opti­mierung der Ausgangs­stufe hatte ich folgende Hilfs­mittel: einen Sinus­generator von 1 bis 30 kHz, eine Rheo­staten für 0 bis 30 Ohm, das Oszi (natür­lich) und eine stabile Schraub­zwinge. Diese diente zum dosier­ten Fest­klemmen des Eisen­jochs auf dem Trafo­kern. Der Rheostat (rechts) ist ein wunder­schöner Schiebe­wider­stand aus einem aufge­lösten Schul­arsenal, an dem einst arme Schüler im Physik­unter­richt das Ohmsche Gesetz pauken mussten. Der Sinus­generator ist dieser. Die Schraub­zwinge setzt man so an, wie im Bild links gezeigt. Bitte nicht zu fest zudrehen, wenn der Trafo bereits auf dem Verstärker­chassis montiert ist, denn sonst bekommt das Aluge­häuse eine unschöne Delle.

Zur Abstimmung des Arbeits­punktes von End­röhre und Trafo wird der Sinus­generator mit ca. 1 kHz an den Eingang des Verstär­kers ange­schlossen und der Rheo­stat an den Ausgang. Das ist in obigem Schalt­plan gezeigt. Der Rheo­stat wird auf ein paar Ohm einge­stellt. Das Oszi zeigt den Schwingungs­verlauf am Ausgang und zum Ver­gleich auch das Eingangs­signal. Nun dreht man den Lauts­tärk­regler so weit auf, dass am Aus­gang ein möglichst hohes, aber noch einiger­maßen sinus­förmiges Signal erscheint. Wenn nun der Rheo­stat verstellt wird, dann wird sich die Form des Ausgangs­signals ändern. Die ehemalige Sinus­kurve wird entweder an der oberen oder an der unteren Halb­welle gestaucht werden, oder sie wird runder. Der Rheo­stat wird nun so einge­stellt, dass der Sinus möglichst "gut" aus­sieht.
Dann wird der Laut­stärke­regler ein kleines Stück weiter aufge­dreht. Das Spiel wird wieder­holt, bis keine Verbes­serung mehr möglich ist. Der Rheo­stat steht nun bei der opti­malen Ausgangs­impedanz, an welcher der Verstär­ker unter annehm­baren Verzer­rungen seine maxi­male Leistung abgibt. Hier ist die optimale Anpas­sung der End­röhre an den Last­wider­stand erreicht. Die Verzer­rungen kann man ent­weder per Augen­maß am Oszi abschätzen. Oder man kann die Ampli­tude der Ober­wellen mit der FFT-Funktion bestim­men, so man hat.

Das richtige Spalt­maß am Eisen­joch: In meinem Fall ging es noch eine Runde weiter. Das Zwischen­ergebnis: 2,7 Watt an 5 Ohm bei 10 Prozent Verzer­rung. Das ist nicht gerade rekord­verdächtig. Doch nun kommt die Schraub­zwinge zum Einsatz. Ich habe sie zunächst etwas fester ange­zogen und die Messung wider­holt. Dann habe ich das Joch abgenom­men, einen dünnen Karton­streifen darunter­gelegt, und das Paket in der Schraub­zwinge wieder neu einge­spannt: 3,1 Watt. Nach weiteren Versu­chen bin ich, wie ich glaube, der exis­tenziel­len Reali­tät des kleinen Trafos ziemlich nahe gekommen: 3,7 Watt an 4 Ohm bei weniger als 8 Prozent Ober­wellen. Das Resultat habe ich mit einem festen Metall­bügel und stabilen Gewinde­schrauben sorg­fältig auf dem Metall­chassis konser­viert. Mehr geht nicht. Das heißt, ich könnte ihn auf über 4 Watt hoch­heizen, wenn ich den Ruhe­strom der End­röhre von 45 auf 50 mA erhöhe. Aber Pfui! Das wäre wie Doping im Sport!

Die Grenzen des Möglichen: Natürlich habe ich mit dem Oszi auch primär­seitig Strom und Span­nung am Trafo gemessen. Ergebnis: die 6V6GT pumpt 5,1 Watt reale Wechsel­strom­leistung in den Trafo hinein, damit 3,7 Watt heraus­kommen. Das klappt bei Frequen­zen zwischen 140 Hz und 4 kHz ziemlich zuver­lässig. Unter 80 Hz schöpft die Röhre den möglichen Spannungs­hub nicht mehr voll aus. Die Induk­tivität der Primär­wicklung ist zu klein. Oberhalb von 8 kHz fällt der Wechsel­strom durch die Wicklung deutlich ab. Das magnetische Streufeld ist zu stark und der Trafo hat eine Eigen­resonanz. Bei 12 kHz knistert es am Röhren­sockel. Die Spannungs­amplitude ist höher als die Durch­schlags­festigkeit irgendeines Bauteils. Aber wir sind noch nicht am Ende. Die Über­schläge habe ich übrigens abstel­len können, indem ich einen Konden­sator von 1,5 nF in Reihe mit einem Wider­stand von 27 kΩ parallel zur Primär­wicklung geschal­tet habe. Durch dieses Dämpfungs­glied verliert die Endstufe des Verstär­kers bei Frequen­zen über 5 kHz an Leistung, und die Eigen­resonanz ist gebändigt. Aber wer mag schon einen Pfeif­ton mit einer Frequenz von 10 kHz und 3,7 Watt Schall­leistung ertragen ?

Sinn und Zweck der frequenzabhängige Gegenkopplung

Wer denkt, jetzt sei der Verstär­ker schon recht brauch­bar, der wird sich wundern. Ich empfehle nun eine Hör­probe, also einen CD-Player anschließen und auf Start drücken. Am besten eine CD mit leisen und lauten Stellen. Viel­leicht den Bolero von Maurice Ravel. Fängt ganz leise an und geht am Schluss an die Ohren. Oder Sieg­frieds Tod aus der Götter­dämmerung, die Stelle mit dem mark­erschüt­ternden Posaunen­stoß, wenn der Held end­gültig tot zusammen­bricht? Ein Orgel­werk von Johann Sebas­tian Bach, Prälud­ium und Fuge, egal welche Tonart. Deftige Bässe im Pedal.
"Sei zu deinen gedul­digen Lesern nicht so boshaft, Hans Martin", sagt meine Frau, "so vergraulst Du noch den aller­letzten Besucher von sauer­ampfer-online. Und kein Bastler und keine Bastle­rin werden jemals wieder was mit Röhren machen. Es sei denn, er oder sie ist taub."
Sie hat recht, die Probe muss nicht härter sein als ohne­hin schon. Spielen Sie besser etwas Trösten­des von Heintje. Jeden­falls werden Sie verste­hen, was es mit frequenz­abhängiger Gegen­kopplung auf sich hat. Ein Röhren­verstärker ohne diese ist eine Tröte. Schimpfen Sie nicht auf den Ausgangs­über­trager, oder auf die Röhren, oder die zu kleinen Koppel­kondensa­toren. Keine Bauan­leitung kann Ihnen je sagen, wie die Korrektur des Frequenz­gangs optimal zu bemessen ist. Es geht nun einmal nur mit Frequenz­generator, Oszil­loskop und mit viel Sitz­fleisch. Die Einrich­tung des Messung und die Vorgehens­weise ist in der Spalte rechts beschrie­ben. Wir wollen nun die Resul­tate ver­gleichen.

Diese Grafik zeigt die Spannung am Ausgang des Verstär­kers, die sich im Frequenzb­ereich zwischen 1 und 20 kHz einstellt, wenn man ein Sinus­signal von 0,25 V Effektiv­wert an den Eingang legt. Und zwar für die Versio­nen A bis D des Gegen­kopplungs­netzwerks. Versionen A und B entsprechen einer frequenzunab­hängigen Gegen­kopplung. Die Ausgangs­spannung bleibt unter­halb von 6 kHz auf hohem Niveau konstant. Dann nimmt der Pegel ab, und zwar hal­biert er sich in Version B bei jeder Verdopp­lung der Frequenz. Minus 6 dB pro Oktave. Version A ist nicht ganz so tragisch. Das Resul­tat ist aber, dass die Musik­wieder­gabe etwas blechern klingt, Flöten und Geigen klingen stumpf. Version C hat dieses Problem an und für sich nicht. Auch im Bereich weit jen­seits von 10 kHz ist die Verstär­kung gleich­bleibend, ja zuneh­mend hoch. Ich musste die Messung bei 6 kHz abbrechen, weil das RC-Dämpfungs­glied, das anoden­seitig zu Ausgangs­transfor­mator parallel­geschal­tet ist, Rauch­zeichen von sich gab. Fazit: Version C weist den richtigen Weg, tut aber des Guten zuviel. In Version D ist die Frequenz­korrektur etwas zurück­halten­der ausgelegt. Man erkennt, dass die Verstär­kung zwischen 6 und 12 kHz sogar ein leichtes Maximum hat und bis 16 kHz nicht unter den Wert fällt, den sie bei 1 kHz hatte.
Wenn Sie mir etwas konstruk­tive Extra­polation erlauben und wenn ich die Maßnah­men am unteren Ende des Frequenz­spektrums mitbewerte, dann komme ich zu folgender Bewer­tung des Verstär­kers:

Dieser Verstärker aus der audio­philen Abtei­lung von sauer­ampfer-online ist ein Spitzen­produkt seiner Klasse, mit einem Frequenz­gang von 50 Hz bis 20 kHz plus/minus 3 dB.

Was ein paar billige Wider­stände und Konden­satoren so alles schaffen, ist durchaus bemer­kenswert. Und vom Preis-Leis­tungs-Verhäl­tnis wollen wir bei dieser Gelegen­heit auch noch sprechen. Wieviel hat das Ganze gekostet, werden Sie fragen. Nun, ungefähr 130 Euro musste ich real inves­tieren. Der wichtig­ste Kosten­faktor waren zunächst das Alugehäuse. Auch Installations­teile wie Kalt­geräte­buchse, das Steck­system für die Verbindung der Module kosten ihren Teil. Die Hoch­spannungs­elkos, das Laut­stärke­poti, die Lötösen­leiste für die Montage der Teile, Röhren­fassungen, Sicherungs­halter und die Schalter waren fabrik­neu. Da mochte ich keine verschlis­senen und oxidier­ten Ausbaut­eile verwenden. Die Röhren und Trafos sind Schlacht­reste. Zwei 6V6GT habe ich vom Handel neu bezogen. Luxus, denn alte EL 84 hätte ich noch da gehabt.

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Wie die Ausgangsspannung auf den Eingang zurückgeführt wird

Drei Schaltungs­varianten im Ver­gleich: Dieser Plan hebt das Gegen­kopplungs­netz­werk des Verstärkers hervor. Es hat die Aufgabe, die verstärkte Ausgangs­spannung un abge­schwächter und gefil­terter Form wieder zum den Eingang des Verstärkers zurück­zuleiten, um es dem eigent­lichen Ton­signal am Eingang zu über­lagern. Ich habe vier verschie­dene Versionen auspro­biert, die mit A bis D bezeichnet sind. Das Umbauen ist eine einfache Bastel­arbeit, die auch bei laufendem Verstärker statt­finden kann. Alles findet auf nied­rigem Spannungs­niveau statt. Man kann seine Finger von den hohen Span­nungen and Anode und Schirm­gitter fern­halten. Es geht nun darum, den Frequenz­gang des Verstär­kers auf Kosten seiner Spannungs­verstärkung zur lineari­sieren.

Wieviel Spannungs­verstär­kung ist über­haupt sinn­voll? Doch bevor wir ins Detail gehen, möchte ich ein paar Vor­über­legungen anstel­len. Die erste Frage ist: wieviel Spannungs­ver­stärkung benötigen wir hier überhaupt ? Wenn man diesen Verstärker voll aussteuert, der mit knapper Not fast 4 Watt Leistung an einen Ausgangs­wider­stand von 4 Ω abgeben kann, dann müssen am Ausgang fast 4 Volt Effektiv­spannung heraus­kommen, und zwar bei angeschlos­senem Last­widerstand. Ich empfehle bei der Einmes­sung die Verwen­dung des Rheo­staten anstelle eines echten Laut­sprechers, der Nach­barn wegen. Der Line-Ausgang eines CD-Players liefert ungefähr 1 Volt. Mancher ein­fache MP3-Player schafft sogar nur 0,5 Volt. Legen wir also zur Sicher­heit fest, dass unser Verstär­ker schon mit 0,5 Volt am Eingang und voll aufgedreh­tem Lautstärke­regler seine maxi­male Leistung abgeben soll, dass also 4 Volt am Ausgang erschei­nen mögen. Wenn wir nun das Gegen­kopplungs­netzwerk offen lassen, dann stellen wir erfreut fest, dass der Verstärker sehr viel empfind­licher ist. Schon bei 0,08 Volt erreichte ich bei 1 kHz das Maximum. Ein ohren­betäu­bender Lärm, wenn ein Laut­sprecher dran hängt! Das Pfeifen kann man auch dann noch wahr­nehmen, wenn der Rheo­stat angeschlos­sen ist, weil das Blech­paket des Ausgangs­trafos vibriert.

Einstellung oberen Fre­quenz­grenze der Gegen­kopplung Wenden wir uns nun der Version A bzw. B zu (In Version B hatte ich am Anoden­wider­stand der EF 86 einen zusätz­lichen kleinen Konden­sator parallel­geschaltet, aber das hat sich über­haupt nicht bewährt). Nunmehr wird vom Laut­sprecher­ausgang über den Wider­stand R2,A = 2,2 kΩ sowie über die Parallel­schaltung von R1 = 2,2 kΩ und C1 = 2 µF ein Teil des Signals an den Wider­stand R0 gelegt. Dieser liegt in der Katoden­zuleitung der Vor­röhre. Die Wirkung von R1 und C1 wollen wir hier erst einmal ausklam­mern und fest­stellen, dass man diese Ele­mente bei ausrei­chend hohen Frequenzen als Kurz­schluss ansehen kann, weil die Impe­danz das 2-µF-Konden­sators dann sehr klein ist.
Als Resultat dieser Maßnahme gelangt nun zwischen Steuer­gitter und Kathode der EF 86 neben dem Eingangs­signal auch das um den Faktor 1 zu 10 abge­schwächte Ausgangs­signal. Bei 4 V bei Vollaus­steuerung sind das also fast 0,4 V Signal­spannung an R0. Die Wicklung des Ausgangs­trafos muss dabei so gepolt sein, dass dieses Signal mit dem Eingangs­signal gleich­phasig ist. Andern­falls fängt der Verstär­ker zu schwingen an.
Das Resultat ist bei kor­rekter Polung, dass das Eingangs­signal von 0,08 V gegen 0,4 V Gegen­kopplungs­spannung ankommen muss. Das Ausgangs­signal bricht auf einen Bruchteil zusammen. Um es wieder auf die anfängliche Höhe zu bringen, muss die Spannung am Eingang auf 0,48 V erhöht werden, das heißt, auf das Sechs­fache! Der Verstärker wir ein wenig "schwer­hörig". Er hört vor allem sein eigenes Echo. Man sagt, der Verstärker verliere 15 dB an Spannungs­verstär­kung.

Inwiefern ist unser Verstärker nun "besser" als vorher? Damit haben wir zwei Ziele erreicht: erstens wurde die Verstär­kung auf das gewünsche Maß reduziert. Zweitens müssen wir beachten, dass diese Rechnung nur für jene Frequen­zen aufgeht, bei denen unser Verstärker diese hohe Vertärkung auch reali­siert. Und das ist ein ernüch­ternd kleiner Bereich. Er liegt zwischen 140 Hz und 6 kHz und ist in diesem Punkt einem analogen Fern­sprech­gerät aus Zeiten der Bundes­post nicht sehr weit über­legen, das immerhin zwischen 300 Hz und 3 kHz linear war. Wir nutzen diesen Spiel­raum mit den weiteren Versionen des Gegen­kopplungs-Netzwerks, um die Linea­rität der Verstär­kung über einen weiteren Frequenz­bereich zu verbes­sern. Wie das bei höheren Frequen­zen funktio­nierte, ist in der Spalte links beschrie­ben.

Die untere Frequenzgrenze. Befassen wir uns hier mit R1 und C1. Diese beiden Elemente des Netz­werks sind zur Korrektur des Frequenz­gangs bei tiefen Frequenzen bestimmt. Die charakte­risti­sche Frequenz f1 = 1/R1C1 ist 140 Hz. Darunter nimmt der Schein­wider­stand dieser Kombi­nation von nahe Null bis auf 2,2 kΩ zu. Dadurch halbiert sich die Gegen­kopplungs­sppannung, die bei tiefen Frequenzen nach R0 gelangt. Die Verstärkung erhöht sich. Ich konnte dadurch erreichen, dass der Verstär­kungs­grad bis hinunter zu 70 Hz konstant blieb. Der Verstärker hat im Bass­keller also eine ganze Oktave an Über­tragungs­qualität gewonnen! Ein zwei­gestrichenes Cis. Bei noch tieferen Tönen nimmt der Signal­pegel mit 6 dB pro Oktave ab. Seien wir ehrlich: so tief herunter kommt nicht einmal Mozart's Sarastro in der Zauber­flöte!

Hans Martin Sauer 2020