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Allerlei Vorverstärker

Vorverstärker für Mikrofon und Platte

Letzte Änderung: 2.1.2023

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Inhalt:

Phono-Vorverstärker nach RIAA-Norm
Aktives 50-Hz-Brummfilter
Das Gesamtkonzept des Verstärkers

Das Comeback der Langspielplatte -- mit Röhren

Ein Plattenspieler

Gut, dass Wagner das nicht mehr erleben musste! Ein mit mir befreundetes Ehepaar hat beim Umzug seine alte Wohnung ausgeräumt. Für manches sentimentale Erinnerungsstück war in der neuen kein Platz, obwohl sie größer war als die alte. Unter anderem stand der ehemals irre teure Technics SL-B210 auf der Kippe.
"Elektroschrott kommt nicht in Frage!"
"Schön, aber kennst Du sonst einen, der sowas annimmt?"
Dann kam ich ins Spiel. Ich hätte das Telefon auch einfach weiterklingeln lassen können.
"Ein super Gerät! Tadellos in Schuss. Du must ihn nur anschließen, und los geht's!"
Auch meine Frau hatte schon von ihren Plattensammlung aus den 1980ern geschwärmt. Unter ihrem kritischen Blick packte ich das eingestaubte Gerät aus seinem langjährigen Quartier, einem karrierten Wäschesack, aus und schloss es umständlich an meinen selbstgebauten Röhrenverstärker an.
"Meine LPs von damals habe ich längst verschenkt, wo wir doch keinen funktionierenden Plattenspieler haben. Ein Dummer findet sich immer."

Stimmt, wir hatten tatsächlich noch keinen funktionierenden Plattenspieler, entgegen meiner optimistischen Annahme. Der Antriebsriemen unseres Supergeräts war beim ersten Einschalten gerissen. Spröde und brüchig geworden wollte er mir dadurch sicher einen letzten Dienst erweisen, da unten unter der Gummimatte des Plattentellers. Ich habe natürlich einen Neuen bestellt. Das half auch nicht. Und auch nicht die legendäre Aufnahme mit Overtüren von Richard Wagner. Wiener Philharmoniker, Karl Böhm. War mal richtig teuer, jetzt zwei Euro im Second-Hand-Laden. Die Platte kam erst einmal zurück in ihr Cover. Es wäre sowieso kein Tönchen herausgekommen, denn man braucht für den magnetischen Tonabnehmer, der die Rillen abtastet, einen empfindlichen Entzerrer-Vorverstärker, der dem RIAA-Standard entspricht. Ehrlich, darüber hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht.

Besonderheiten eines Plattenspieler-Vorverstärkers

Auf der Rückseite des Plattenspielers befinden sich die Cinch-Buchsen für die beiden Stereokanäle des magnetischen Tonabnehmers. Orignial war hier ein Tonabnehmer von Shure, Typ M99e, eingebaut. Dieses magnetische System liefert nur wenige Millivolt Signal an den Ausgang. Zu wenig für den Eingang meines selbstgebauten Röhrenverstärkers. Das Signal muss zunächst durch einen Vorverstärker auf normalen Line-Pegel gebracht werden. Tiefe Frequenzen müssen sehr hoch verstärkt werden, hohe Frequenzen nur wenig. Dies ist in der RIAA-Norm genau beschrieben. Beim Pressen der Tonrillen von Schallplatten werden die Schwingungsamplituden von tiefen Tonfrequenzen im Verhältnis zu den hohen Frequenzen reduziert abgebildet. Der Schallplatten-Vorverstärker muss sie also wieder aufpäppeln. Das ist der Trick an der Sache. Wenn man einfach nur linear verstärkt, kingt es wie aus dem Grammophon.

Laut RIAA-Spezifikation, eine technische Norm, die einst von der Plattenindustrie vereinbart wurde, soll die Spannungsverstärkung des Tonsignals bei den sehr tiefen Frequenzen maximal sein. In der Frequenzdekade zwischen 30 Hz und 300 Hz soll sie um 20 dB abnehmen, also um einen Faktor 10 gegenüber dem Maximum. In der nächsten Dekade bis 3 kHz möge sie zunächst linear verlaufen, um dann zu noch höheren Frequenzen wieder mit der Rate von 20 dB pro Dekade weiter abzusinken. Alles, was der Vorverstärker mit Frequenzen über 15 kHz macht, ist irrelevant. Da kommt die Schallplatte nämlich gar nicht hin.
Selbstverständlich bastle ich das mit Röhren! In Jogis Röhrenbude finden sich Schaltungsvorschäge, die mir gut realisierbar erscheinen. Natürlich möchte ich gern wissen, wie die frequenzabhängige Verstärkung funktioniert und wie man sie verändern kann. Deshalb baute ich alles zunächst am Steckbrett auf.

Der Schaltungsentwurf

Für einen Plattenspieler mit magnetischem Tonabnehmer (im Unterschied zu einem Kristallsystem) wird eine Verstärkerschaltung benötigt, die zu 60 dB Verstärkung fähig ist. Sie muss das schwache Signal des Tonabnehmers auf einen Pegel um 1 V anheben, der zum Line-Eingang eines Audioverstärkers passt. Der Eingangswiderstand des Vorverstärkers sollte 50 bis 100 kΩ betragen.

Dieser zweistufige Vorverstärker verwendet eine Doppeltriode vom Typ ECC 83. Das Besondere hierbei ist die frequenzabhängige Gegenkopplung, basierend auf den Widerständen R1 = 1,5 MΩ und R2 = 150 kΩ, sowie den dazu parallel geschalteten Kondensatoren C1 = 2,2 nF und C2 = 330 pF. Diese bilden mit dem Kathodenwiderstand der ersten Triode einen Spannungsteiler, der die Ausgangsspannung in einem passend reduzierten, der RIAA-Norm entsprechenden Verhältnis dem Eingangssignal vom Tonarm überlagert. Bei sehr niedrigen Frequenzen sind die Kondensatoren im Spannungsteiler ohne Wirkung. Das Teilerverhältnis ist dann etwa 1:1100. Die Gegenkopplung ist sehr schwach, die Verstärkung erreicht 60 dB. Bei Frequenzen um 1 kHz ist dagegen der Widerstand R1 praktisch kurzgeschlossen. Das Teilerverhältnis ist allein durch R2 gegeben und beträgt 1:100. Erhöht man die Frequenz über 3 kHz, dann ist auch R2 durch seinen Parallelkondensator zunehmend überbrückt. Die Verstärkung sinkt bei 20 kHz auf 15 ab. Die Kennlinie ist unten rechts im Schaltplan skizziert.

Der Steckbrettaufbau des Vorverstärkers. Links sind die beiden Widerstände und Kondensatoren des Gegenkopplungsnetzwerks zu sehen. Ich habe verschiedene Varianten untersucht, und dann die Verstärkung mit einem durchstimmbaren Frequenzgenerator am Oszilloskop nachgemessen. Den Röhrensockel habe ich mit auf ein Stück Lochrasterplatte mit Stiftleisten gelötet, so dass ich ihn samt Röhre wie ein IC auf dem Steckbrett anschließen kann.

Bei so viel Verstärkung sind Netzfrequenzeinstreuungen immer ein Thema. Schlimmer noch als diese sind die hochfrequenten Streufelder aller Schaltnetzteile und LED-Leuchtmittel, die unsere Wohnzimmern wie Ungeziffer elektromagnetisch verseuchen. Unnötig lange Verbindungen sind vor allem im sensiblen Gitterkreis der ersten Triode eine Sünde. Der 10-kΩ-Dämpfungswiderstand vor dem Gitter wird unmittelbar am Gitterkontakt, Pin 7 der Röhrenfassung, angelötet. Ich empfehle, alle Bauelemente dicht um die Röhrenfassung gedrängt auf einer 2,54-mm-Lochrasterplatte aufzubauen.

Die Spezifikation der ECC 83 empfiehlt, die Mittelanzapfung der Röhre über Pin 9 des Sockels mit Masse zu verbinden. Pin 4 und 5 werden gemeinsam an die 6 Volt aus dem Heiztrafo gelegt. Außerdem wird empfohlen, das Triodensystem an den Pins 6, 7 und 8 als erste Verstärkerstufe zu verwenden, um die Brummempfindlichkeit weiter zu reduzieren. Der Masseanschluss des Cinch-Kabels vom Plattenspieler gehört auch unmittelbar an den Massepunkt des Kathodenwiderstand dieser Triode angeschlossen.
Ich habe versuchsweise mit Gleichstrom statt Wechselstrom geheizt und eine geerdete Metallhülse auf die Röhre gesetzt. Das alles hatte keinen erkennbaren Effekt. Also habe ich es in Sachen Heizung bei Wechselstrom belassen.

Fazit

Der RIAA-Verstärker ist hier ein alter Bekannter, der mit anderen Gegenkopplungen schon für allerlei Zwecke eingesetzt wurde, die sehr hohe Verstärkungsfaktoren erforderten. Zum Beispiel als Rauschverstärker und zum Aufspüren von Sekundärelektronen. Die ECC 83 ist in dieser Funktion wegen ihres besonders hohen Innenwiderstands nicht durch andere Doppeltrioden wie die ECC 81, 82 oder 85 zu ersetzen. Diese Röhren haben ganz andere Einsatzgebiete.

Brumm-Einstreuungen sind bei diesem Projekt ein hartnäckiges Thema. Möchten Sie wirklich eine dumpfe 50-Hz-Untermalung fürs Musikzimmer? Das ist, soviel habe ich gelernt, nicht die spezifische Schwäche von Röhrentechnik, trotz senbsibler Gitterzuleitungen und Streufelder verbreitender Heizstromkreise. Es ist vielmehr ein Problem des Musikträgers Platte schlechthin, das durch CD, DVD und andere digitale Datenträger in Vergessenheit geraten ist. Unsere Ohren sind das nicht mehr gewöhnt. Wer sich dennoch auf's analoge Abenteuer einlassen möchte, sollte sich davon nicht überraschen oder enttäuschen lassen. Und hier weiterlesen!

50-Hz-Sperrfilter

Eine Sperre gegen den Netzton

Um das Brummen zu unterdrücken, habe ich dem Verstärker ein 50-Hz-Sperrfilter nachgeschaltet. Es besteht aus zwei weiteren Verstärkerstufen mit Doppeltriode ECC 82, das ein Doppel-T-Filter im Gegenkopplungszweig hat. Ich habe das Konzept aus dem Schaltungsbuch von Tietze und Schenk übernommen und statt mit Halbleiter-OP-Amp mit Röhren nachgebaut. Anders als ein gewöhnliches RC-Filter ist es nur in einem sehr engen Frequenzbereich um die Sperrfrequenz von 50 Hz wirksam, läßt aber Bässe, die nur wenige Hz unter- oder oberhalb 50 Hz liegen, nahezu ungeschwächt passieren.

Nebeneffekt: der Ausgangswiderstand des Vorverstärkers reduziert sich auf wenige Kiloohm. Die Stärke der Gegenkopplung wird mit dem 5-kΩ-Trimpoti an der Kathode des ersten ECC 82-Systems so abgeglichen, dass die Verstärkung knapp unter 2 liegt.
Das Doppel-T-Filter besteht aus den beiden Paaren von Widerständen mit 330 kΩ und den Kondensatoren von je 10 nF, deren Verbindungspunkt jeweils über einen Widerstand bzw. Kondensators der halben 50-Hz-Impedanz zur Einspeisung der Gegenkopplung dient. Die Werte der Widerstände und Kapazitäten im Doppel-T-Filter sollen möglichst geringe Toleranzen gegenüber dem Sollwert haben, damit sich zielgenau nur der 50-Hz-Ton am Gitter der Triode auslöscht. Es lohnt sich, diese Bauelemente mit dem Ohm- und Kapazitätsmeter zu selektieren. Außerdem habe ich einen Schalter vorgesehen, der die Verbindung zum Gegenkopplungszweig unterbricht. Dann ist das Filter unwirksam.

Die Besonderheiten des Pattenspieler-Vorverstärkers

Vergleichsmessung

Der Vergleich der Frequenzgänge des Verstärkers mit und ohne RIAA-Filter, sowie mit RIAA- und Brummfilter ist links zu sehen. Die Verstärkung ist gegen die Frequenz logarithmisch aufgetragen. Die Gitterlinien der Verstärkungsachse haben einen Abstand von je 10 dB. Bei der Messung wurde der Ausgang mit 100 kΩ belastet.

In der linearen Betriebsart (violette Linie) hat der Vorverstärker im Bereich zwischen 100 Hz und 20 kHz mindestens 1000-fache Spannungsverstärkung: +60 dB. Er eignet sich als hochempfindlicher Mikrofon-Vorverstärker.

Der RIAA-Vorverstärker (blaue Linie) hat bei steigender Frequenz eine abfallende Charakteristik, die um 1 kHz einen ungefähr linearen Zwischenbereich hat. Wie schon diskutiert.

Schaltet am den Sperrfilter dazu (grüne Linie), dann bricht die Verstärkung zwischen etwa 40 und 60 Hz drastisch ein. Sie ist bei 50 Hz um mindestens 20 dB geringer als zum Beispiel bei 80 oder 90 Hz. Bei höheren Frequenzen rückt die Verstärkung gegenüber dem vorigen Fall um konstant 2 dB nach oben: die Wirkung der stark gegengekoppelten ECC 82.

Das Gesamtkonzept

So, nun hätten wir das röhrentechnisch Wichtigste beisammen, um (mit zwei multipliziert) die Pegel der beiden Stereokanäle meines neuen alten Plattenspielers auf die gebotene Weise anzuheben. Was Kosten und Aufwand betrifft, ist das hier ein günstiges Bastelprojekt. Der Plattenspieler ist bei mir auf Asyl. Die Kosten für den neuen Riemen (7,95 Euro beim Tonnadelparadies Gleich relativieren sich durch den eleganten karrierten Wäschesack, in dem der Plattenspieler geliefert wurde. Röhren, Widerstände und Kondensatoren sind aus der Bastelkiste. Nur Röhrenfassungen und Cinch-Buchsen sind fabrikneu, ok. Doch teure Stereo-Drehpotis sind in diesem Projekt überhaupt nicht erforderlich! Die Wiedergabe-Lautstärke wird am nachfolgenden Hauptverstärker eingestellt. Bisher also eine saubere Null-auf-Null-Bilanz. So soll es auch bleiben. Doch wie geht es weiter? Zwei berüchtigte Kostentreiber stehen noch aus, ehe der Vorverstärker endgültig einsatzbereit ist:

Die Stromversorgung: Netztrafo, Gleichrichter, Siebelkos. Da wird es schnell dreistellig! Aber es geht auch anders, rechnen wir einmal nach. Etwa 200 Volt bei 12 Milliampere Strombedarf. Das schafft auch ein umfunktioniertes Steckernetzteil. Die Heizung der vier Doppeltrioden erfordert 0,6 A bei 6 Volt, oder 0,3 A bei 12 V. Die Versorgung wäre durch einen kompakten Netztrafo für 12 V und 1,5 bis 2 A möglich, der außerhalb, nahe an der Steckdose, sein Zuhause hat.

Das Gehäuse: Form und Funktion müssen zusammenpassen. Analoge Musikaufnahmen, die große Orchester unter prominenten Dirigenten, Boten Wagnerscher Spären, einst zu jedermanns häuslicher Erbauung eingespielt haben, leben vom kleinbürgerlichen Flair, von den Segnungen der Wirtschaftswunderzeit! Dazu wollen wir uns hier bekennen. Retro, jawohl, wenn schon, dann authentisch!
Dazu zwei Konzepte, die auch elektrisch die notwendige Schirmung gegen Störwellen aller Art garantieren: Der automatische Toaster, Bote häuslichen Komforts. Jahrzehntelang hat er zum Frühstück gebräunt. Jetzt sucht er einen neuen Zweck, wie der Plattenspieler. Auch die weihnachtlich bunt bedruckte Blechdose, die den Lebkuchen meiner Frau vor den Naschern schirmt, ist im (vorläufig recht einseitigen) Gespräch.
Die Fischkonserve ist das alternative Generalthema. Fischkonservendosen kann man stapeln, um Bauraum nach Bedarf zu schaffen. Mit vier Doppeltrioden dekoriert, ähnelt das einem Modell eines mondänen Ozeandampfern. Man bereiste darauf die Welt, bevor Fliegen günstiger war. Prickelnde Titanic-Atmosphäre zwischen den Karl-May-Bänden auf dem Bücherbord!

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